Reliquie Natur 02

Reliquie Natur 02 ist ein partizipatives Kunstprojekt der Künstlerin Angela ANDORRER. Im Rahmen der kunstroas 2025 zum Thema „Vom guten Zusammenleben“ lädt sie Brigit AIGNER von der Werkgruppe Klosterarbeiten und Teilnehmer*innen aus dem Großarltal zu einem gemeinsamen, diskursiven Workshop und zur Schaffung eines neuen Werkes, das vom 6. Juli bis 30. September in der Bergschule Großarl ausgestellt wird.
Workshop Details
Zeit: 2.- 4. Mai 2025
Täglich 10:00 – 17:00 (durchgängige Anwesenheit ist NICHT erforderlich)
Voraussetzungen: Grundkenntnisse mit Klosterarbeiten oder handwerkliches Geschick
Kosten: Keine, Material wird gestellt
Adresse: Bergschule, Auschulweg 32, A- 5611 Großarl
Anmeldung und Information: Begrenzte Teilnehmerzahl, +43 650 5145356 oder angela@andorrer.at, www.andorrer.at/reliquienatur02

In „Reliquie Natur 02“ wird das Blatt als Symbol gewählt, das sowohl die Vergänglichkeit als auch die Lebenskraft der Natur repräsentiert. Gleichzeitig verweist es auf die Idee der Reliquie – also eines heiligen Objekts, das verehrt wird. Anstelle klassischer Reliquien religiöser Traditionen rückt die Natur selbst in den Mittelpunkt der Verehrung. Wie in jahrhundertealten religiösen Handwerkstraditionen, z. B. den Klosterarbeiten, wird die künstlerische Praxis hier zu einem gemeinschaftsbildenden Prozess. Die Vorstellung, dass der Mensch über der Natur steht, wird hinterfragt – stattdessen wird die Natur als etwas Schützenswertes und Würdevolles in den Fokus gerückt.
ANDORRER, eine in Wien ansässige gebürtige Kanadierin, bringt ihre einzigartige künstlerische Technik ein, die durch die Bearbeitung von in der Natur gesammelten Blättern geprägt ist. Mit Farbe, Fäden und Perlen verwandelt sie die teils von Blattparasiten angegriffene Blätter in Kunstwerke, indem sie gebrochene Äste schient und gerissene Häute näht – ein absurder, symbolischer Versuch, die „Natur zu heilen“. In diesem Kontext wird die Künstlerin die Klosterarbeitstechniken nicht nur übernehmen, sondern sie in ihren künstlerischen Prozess integrieren und neu interpretieren.
Im textilen Arbeits- und Diskursprozess von RELIQUIE 02 entsteht ein neues künstlerisches Werk, das die fragilen Blattscapes von ANDORRER mit traditionellenTechniken wie floralen Arbeiten mit Draht, Perlen, Papier und Goldstickerei verbindet. Zugleich wird die historische Rolle von Frauen als Bewahrerinnen kollektiver Erinnerungen verhandelt: Schon seit Jahrhunderten wurden beim Sticken und Nähen am Küchentisch Geschichten ausgetauscht und weitergegeben. Der künstlerische Schaffensprozess selbst wird integraler Bestandteil des Kunstwerks – als sozialer, diskursiver und transformativer Raum. Zugleich wirft das Projekt einen kritischen Blick auf die oft unsichtbare Rolle von Frauen in der Kunstgeschichte und deren Ausschluss aus der etablierten Kunstwelt.
Klosterarbeiten, deren Ursprünge bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen, sind kunstvolle Handarbeiten, die in klösterlichen Kontexten mit außergewöhnlicher Meisterschaft gefertigt wurden. Ab dem 18. Jahrhundert fanden sie Verbreitung in bürgerlichen und bäuerlichen Haushalten, bevor sie im 20. Jahrhundert nahezu in Vergessenheit gerieten. Heute ist die Bezeichnung, laut Sander KUNZ ein „Sammelbegriff für verschiedene Verarbeitungen unterschiedlicher Materialien, wie Draht, Perlen, Glassteine, Papier, Wachs, etc. in kunsthandwerklichen Tätigkeiten“. Die „Werkgruppe Klosterarbeiten“ trägt heute maßgeblich dazu bei, diese historische Kulturtechnik zeitgemäß zu bewahren, wiederzubeleben und wurde 2019 als Beispiel Guter Praxis zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes der UNESCO-Kommission mit dem Good-Practice Siegel ausgezeichnet.
Der Entstehungsprozess der gemeinsamen Arbeit während des Workshops wird von Sonja VIEHHAUSER aus dem Großarltal filmisch und fotografisch dokumentiert und von Juli bis September in der Bergschule Großarl öffentlich ausgestellt. Eine Brücke wird geschlagen zwischen zeitgenössischer Kunst und dem jahrhundertealten, mündlich überlieferten Handwerk, um dieses kulturelle Erbe in die Zukunft zu führen.

„Die Verehrung der Natur ist heute zeitgemäß und angebracht. Jedes einzelne Blatt ist für mich eine Art Kniefall vor der Schöpfung, gewissermaßen eine ‚Reliquie der Natur‘.“
– Angela ANDORRER
„Ausgehend von Bayern erleben die Klosterarbeiten seit 1989 in Österreich eine Renaissance. Handarbeiten und Kunsthandwerk begleiten mich schon seit meiner Kindheit, da in meiner Familie schon immer auf diese Fertigkeiten großen Wert gelegt wurden. 2001 entdeckte ich die Klosterarbeiten, die zu einer wahren Leidenschaft wurden.“
– Birgit AIGNER, Obfrau der Werkgruppe Klosterarbeiten
„Eine zeitlose und zugleich topaktuelle Kunst, sinnlich und voller Bezüge, wo die Natur nicht nur eine Metapher ist (für das Leben, das Werden und Vergehen), sondern in erster Linie sie selbst bleibt.“
– WIENER ZEITUNG (über Angela Andorrers Arbeiten)
„In hölzerne Kästen wie schwebend vor weißem Hintergrundmontiert, entfalten diese Kunstwerke ein wunderbares Eigenleben. Der Respekt vor der Schönheit und dem Urzustand des Naturobjektes hat Vorrang vor der künstlerischen Verfremdung.“
– Achim GNANN, Kurator Albertina Wien (über Angela Andorrers Arbeiten)
„Ist der Reliquienkult im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß? Hat sich das Leben seit dem Mittelalter nicht so verändert, dass es neue Reliquien braucht? Wird in Zeiten des Klimawandels die bedrohte Natur selbst zur modernen Reliquie? Diese Ideen entstanden während der Arbeit an den Blattscapes. In der Au und auf ihren Wanderungen sammelt die Künstlerin unterschiedliche Blätter, die das Ausgangsmaterial für ihre Arbeit bilden. Sie trocknet, presst und bearbeitet sie mit Acryl, Garn und Perlen. Sie veredelt die Abfall- und Zerfallsprodukte der Natur zu Kunstwerken. Diese Techniken entsprechen bis zu einem gewissen Grad den Klosterarbeiten, mit denen in der Barockzeit Reliquien eine kostbare Fassung verliehen wurde.“
– Wolfgang HUBER, Kurator und Kustos der stiftlichen Sammlungen Klosterneuburg
Weiterführende Links
https://www.andorrer.at
https://www.klosterarbeiten.at/werkgruppe
https://www.kunstroas.at
https://blog.nationalmuseum.ch/2022/08/klosterarbeiten