Andorrer & Cerha
Sleeping Leaves – ein Klimamärchen

AUSSTELLUNG

18. Juni – 31. August 2025
täglich 10 – 18 Uhr
Botanischer Garten der Universität Wien 
Kalthaus / Zugang über Mechelgasse 2, 1030 Wien

Die Ausstellung und Inszenierung „Sleeping Leaves – ein Klimamärchen“ erzählt von Blättern, von deren transformativer Kraft und von einer Klimaaktivistin namens Snow Witness, einstmals Schneewittchen. Die reichen Assoziations- und Bedeutungsräume der Natur, des Märchens und der Kunst öffnen den Geist für eine neue Vision der Zukunft.

PROGRAMM

VERNISSAGE 18. Juni 2025, 17:00
Grußworte: VertreterIn 3. Bezirk Kultur (angefragt)
„Sie ist noch nicht tot!“ Performative Lesung mit Ruth CERHA
Einführung und Artist Talk: Maria Christine HOLTER (Kunsthistorikerin, Kuratorin, Artists for Future Austria) im Gespräch mit Angela ANDORRER, Ruth CERHA und Elisabeth KOPF (Universität der Angewandten Kunst, Wien)

FÜHRUNG 25. Juni 2025, 16:30
„Klimamärchen und Klimawandel im Botanischen Garten“
Rundgang durch die Ausstellung und im Garten auf den Spuren des Klimawandels.
Mit David BRÖDERBAUER (Botanischer Garten der Universität Wien), Ruth CERHA (Schriftstellerin, Performerin) und Angela ANDORRER (Bildende Künstlerin)

PICKNICK 29. Juni 2025, 12:00
Gemeinsamer Rundgang durch die Ausstellung mit Maria Christine HOLTER und Angela ANDORRER. Im Anschluss offenes Treffen und Picknick mit den Artists for Future Austria

WORKSHOP im Juli 2025 (tbc)
„Ein Sommermärchen für Kinder im Botanischen Garten“
In Kooperation mit der KinderUNI Wien, mit Tanja BRUNNER (Botanischer Garten der Universität Wien) und Angela ANDORRER (Bildende Künstlerin)

FINISSAGE 31. August 2025, 16:00
„Beschwörung und letzter Rundgang durch die Ausstellung“
Performance mit Angela ANDORRER (Bildende Künstlerin), Ruth CERHA (Schriftstellerin, Performerin) und den RED REBELS von XR EXTINCTION REBELLION

Oben: Skizze „Sleeping Leaves – ein Klimamärchen“, Kalthaus des Botanischen Gartens der Universität Wien



Blätter bilden die Lebensgrundlage für Mensch und Tier, denn sie produzieren mit Hilfe von Wasser und Sonnenlicht Sauerstoff. Ausgangspunkt und Grundmotiv von „Sleeping Leaves, ein Klimamärchen“ sind mehrere, bis zu 2 Meter große Blätter, die aus dem Botanischen Garten stammen. Im Moment höchster Schönheit festgehalten und künstlerisch mit Farbe, Faden und Perlen von Angela ANDORRER markiert und modifiziert, kehren die Blätter nun als „Blattscapes“ an ihren Ursprungsort zurück. Im Kalthaus werden sie in gläsernen Vitrinen ausgestellt und zum Sinnbild unseres gefährdeten Überlebens auf der Erde.


Ausgehend von der Schneewittchen-Metapher des gläsernen Sarges formt Ruth CERHA die zeitgenössische Erzählung des Klimamärchens „Sie ist noch nicht tot!“, in der die junge Klimaaktivistin ‚Snow Witness‘ die „G7“ als politisch Verantwortliche für ihre Versäumnisse in der Klimapolitik vor Gericht zur Rechenschaft zieht und nach einem Giftattentat, im Glassarg liegend und mit Blättern bedeckt, begleitet von einer vielstimmigen Beschwörung des Lebens, durch die Stadt getragen wird. Die aktuelle Realität wird uns schonungslos vor Augen geführt. Der Ausgang der Geschichte bleibt ungewiss.

Wie in einem Labyrinth bewegen sich die BesucherInnen durch schwebende Papierbahnen mit Textpassagen aus dem Klimamärchen und menschengroßen Blattkunstwerken, die Michael Wurmitzer, im Standard, als bezaubernd schön beschreibt. Der gläserne Ausstellungsraum wird zur Metapher des durchsichtigen Sarges und unseres Paralysiert-Seins angesichts des menschenverschuldeten Klimawandels.

„Sleeping Leaves – ein Klimamärchen“ wurde gemeinsam von der bildenden Künstlerin Angela ANDORRER (Projektleitung), der Schriftstellerin und Performerin Ruth CERHA und der Projektdesignerin Elisabeth KOPF für den Botanischen Garten der Universität Wien entwickelt. Die Kunsthistorikerin, Kuratorin und Artists for Future Gründerin Maria Christine HOLTER berät beim Rahmenprogramm, beim Ausstellungsaufbau, hält die Eröffnungsrede und moderiert eine Diskussion mit den drei Künstlerinnen.

Aus allen Elementen entsteht eine konzeptionelle Narration, die in Form eines Programmheftes ausliegt. Ausstellungsbegleitend gibt es ein Rahmenprogramm mit Diskussionen, Lesungen, ein Picknick, Führungen und Performances.

+++BREAKING NEWS+++G7 RECHTSKRÄFTIG VERURTEILT+++SNOW WITNESS NACH ATTENTAT IN LEBENSGEFAHR+++ Heute Mittag um 13:13 MEZ wurde am Internationalen Waldgerichtshof ein sensationelles und in der Geschichte einmaliges Urteil verkündet. Angeklagt waren die sogenannten G7, Klägerin war die neue Galionsfigur des Klimaschutzes Snow Witness, allgemein besser bekannt unter ihrem vormaligen Namen Snow White oder Schneewittchen – sie änderte ihren Namen schon zu Beginn ihres öffentlichen Engagements, „um in einem symbolischen Akt mit den Märchen aufzuräumen“, wie sie sagte. Jenen Märchen, die laut Anklageschrift seit Jahren der Bevölkerung erzählt wurden und damit sowohl das wahre Ausmaß des Klimawandels verschleierten als auch die Maßnahmen sowie deren Wirksamkeit, die vonseiten der Sieben Oberste Giganten bisher dagegen gesetzt wurden, beschönigten.
Ausschnitt aus dem Klimamärchen „Sie ist noch nicht tot!“ von Ruth CERHA

TEAM

Angela ANDORRER | www.andorrer.at
Projektleitung | Objekte, Installation
Geboren als Tochter eines Antarktis- und Marsforschers in Kanada. Sie studierte Kunst in Montreal, München und bei Kiki Smith. Seit 2000 unterhält sie eine aktive künstlerische Praxis, einschließlich der Teilnahme an der PARALLEL ART FAIR Vienna, der Liverpool Biennial of Contemporary Art, an der Biennale für Land Art in Andorra, bei kunstprojekteriem_public art in München, an Ausstellungen bei Kathrin Mulherin Art Projects in Toronto, bei <rotor> im Steirischen Herbst Graz und im MOCCA Museum of Contemporary Canadian Art, sowie Permanentskulpturen im Öffentlichen Raum. Zahlreiche Residencies und ein DAAD – Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes führten sie u.a. nach Los Angeles, Kopenhagen und Belgrad. Sie lebt und arbeitet in Wien und Klosterneuburg. Seit 2021 ist sie Mitglied des Künstlerhauses Wien und wird vertreten von der Galerie ARTECONT Wien.

Ruth CERHA | www.ruthcerha.com
Text, Programmbuch, Performance
Ruth Cerha wurde 1963 in Wien geboren. Nach einer klassischen musikalischen Ausbildung (Klavier, Violine, Tonsatz) studierte sie Psychologie, arbeitete mit verschiedenen Bands, komponierte fürs Theater und für Kunstprojekte. Seit 2005 schrieb und veröffentlichte sie einen Erzählband, vier Romane (zuletzt Traumrakete, FVA 2018), Gedichte, Kurzgeschichten sowie Texte über Kunst und Psychologie. In den letzten Jahren widmet sie sich vermehrt der freien musikalischen Improvisation und arbeitet interdisziplinär im Feld zwischen bildender Kunst, Literatur, Musik und Performance, u.a. mit Claudia Märzendorfer (Für die Vögel, 2019), Eva Wolfram-Ertl (Painted Music, 2021), Manu Tober (Licht der Menschheit, 2022), Florian Sedivy (Entpuppung und I am structure, 2022, Heimspiel, 2024), Edith Lettner und Christian Reiner (Urgent Poetry, 2024). Zur Zeit arbeitet sie an einem musikalischen Stationentheater (Die Nacht weiß nicht vom Tage, Uraufführung November 2025).

David BRÖDERBAUER
Botanischer Berater des Projektes
Botaniker und Schriftsteller, Stellvertretender Leiter des Botanischen Gartens und Initiator der Ausstellung. Nach dem Studium der Botanik und Forschungsaufenthalten in Costa Rica und China ist er mittlerweile für die Wissenschaftskommunikation im Botanischen Garten zuständig. Der Botanische Garten ist nicht nur ein Ort der Erforschung und Kultivierung von Pflanzen, sondern auch ein Ort der Begegnung du des gesellschaftlichen Diskurses.

Maria Christine Holter | www.mariaholter.at
Kuration, Moderation
Kunsthistorikerin, Kuratorin und Programmgestalterin für Gegenwartskunst. Diplomstudien an den Universitäten Wien und Berkeley, USA (Fulbright Stipendium), Praktikum am MoMA, New York. Gastkurationen und -programmgestaltungen für die Künstlerhaus Vereinigung Wien u.a. DE/CODING TEXTILE (2024), HUMAN_NATURE (2023), DAS BESSERE LEBEN (2017) BRENNENDE FRAGEN (2015), sowie ZEIT(LOSE) ZEICHEN. Gegenwartskunst in Referenz zu Otto Neurath (2012/13); freie Kurationen u.a. BRUCH SPUR ZEICHEN in Wien und NÖ (2018) sowie TIME(LESS SIGNS) im Austrian Cultural Forum London (2014). Daneben eigene Ausstellungs- und Veranstaltungsreihen wie FUNKENFLUG (2015-2019) und IN SITU. Zahlreiche Publikationen zur Gegenwartskunst, daneben Kunstkommunikation, Moderationen, Jurytätigkeit und Beratung.2019 Mitbegründerin von Artists For Future Austria (www.artistsforfuture.at), seither Tätigkeit im Organisationsteam und als Aktivistin

Elisabeth KOPF | elisabethkopf.com
Ideenentwicklung
Projekt- und Kommunikationsdesignerin, Künstlerin, Kuratorin, Lehrende. Lebt und arbeitet in Wien und Vorarlberg. In ihrem „Design Buero Baustelle“ arbeitet sie für AuftraggeberInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst sowie für selbst-initiierte Projekte zu Themen des regenerativen Designs. Sie ist Mitglied der Alliance Graphique Internationale (AGI). 2018 entwickelte sie im Auftrag des Werkraum Bregenzerwald und gemeinsam mit der Biomimicry-Expertin Regina Rowland das Forschungs-, Bildungs- und Ausstellungsprojekt „Alphabet des Lebens – Lernwerkstatt Natur“, das naturbasierte Innovationen für ein breites Publikum präsentierte. Ein Folgeprojekt ist die „SOAK Biomimicry Sommerakademie“, die ein Programm des „Bündnis Nachhaltige Hochschulen“ ist. Seit 2004 unterrichtet die Autodidaktin an der Universität für angewandte Kunst Wien, wo sie das Lehr- und Lernexperiment „Babylon Design School“ ins Leben gerufen hat. Sie engagiert sich im UniNEtZ und für die UN-Agenda 2030.

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Angela Andorrer

skins and leaves
30.1. – 28.2.2025
Redcarpet Showroom am Volkstheater
(U3)

Im Februar 2025 wird eine Fotografie der Serie „Skins and Leaves“ und das dazu gehörende Blatt im RED CARPET SHOWROOM am Volkstheater Wien, bei der U3, ausgestellt. Blattscapes treten in einen hautnahen Dialog mit Menschen, die ihre Körper mit den geschmückten und verletzten Blättern bedecken. Pflanzenblätter, die mit ihrer Produktion von Sauerstoff die Lebensgrundlage für Mensch und Tier bilden, stehen im Zentrum meiner Arbeit. 

Die gesamte Wandfläche in der gläsernen Vitrine besteht aus dem Druck „Skins and Leaves No42“ und zeigt eine weibliche Figur an einem steinigen Strand. Ihr Rücken ist bedeckt von einem fragilen Blattobjekt, das nur noch aus skeletösen Fragmenten besteht, die von dünnen Fäden zusammengehalten werden. Auf einem Sockel davor, liegt das Blatt im Original, wie ein Objekt einer naturwissenschaftlichen Sammlung, im Glaskasten.

Die formale Bewegung der liegenden Figur konterkariert die stählerne Rolltreppe. Die steinige Küstenlandschaft korrespondiert mit den Landschaften des Körpers und des Blattes, das in seiner Oberfläche an Gestein und geografische Formen erinnert. Das Blatt schmiegt sich an die Haut, vor dem glitzernden Meer, als wäre es ein nach Außen gekehrter Teil des Inneren. Die roten Garne lassen an Adern denken. Es entsteht eine intimer Dialog der Texturen zwischen den Landschaften, der Haut des Körpers und des Blattes und dem Glas, Beton und Stein im U-Bahn-Durchgang.

Danke an Jelena und Manuel Gras von Red Carpet.
Danke an Laurenz Lanik für die fotografische Dokumentation.

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Angela ANDORRER

Reliquie Natur 02

Reliquie Natur 02 ist ein partizipatives Kunstprojekt der Künstlerin Angela ANDORRER. Im Rahmen der kunstroas 2025 zum Thema „Vom guten Zusammenleben“ lädt sie Brigit AIGNER von der Werkgruppe Klosterarbeiten und Teilnehmer*innen aus dem Großarltal zu einem gemeinsamen, diskursiven Workshop und zur Schaffung eines neuen Werkes, das vom 6. Juli bis 30. September in der Bergschule Großarl ausgestellt wird.

Workshop Details
Zeit: 2.- 4. Mai 2025
Täglich 10:00 – 17:00 (durchgängige Anwesenheit ist NICHT erforderlich)
Voraussetzungen: Grundkenntnisse mit Klosterarbeiten oder handwerkliches Geschick
Kosten: Keine, Material wird gestellt
Adresse: Bergschule, Auschulweg 32, A- 5611 Großarl
Anmeldung und Information: Begrenzte Teilnehmerzahl, +43 650 5145356 oder angela@andorrer.at, www.andorrer.at/reliquienatur02


In „Reliquie Natur 02“ wird das Blatt als Symbol gewählt, das sowohl die Vergänglichkeit als auch die Lebenskraft der Natur repräsentiert. Gleichzeitig verweist es auf die Idee der Reliquie – also eines heiligen Objekts, das verehrt wird. Anstelle klassischer Reliquien religiöser Traditionen rückt die Natur selbst in den Mittelpunkt der Verehrung. Wie in jahrhundertealten religiösen Handwerkstraditionen, z. B. den Klosterarbeiten, wird die künstlerische Praxis hier zu einem gemeinschaftsbildenden Prozess. Die Vorstellung, dass der Mensch über der Natur steht, wird hinterfragt – stattdessen wird die Natur als etwas Schützenswertes und Würdevolles in den Fokus gerückt.

ANDORRER, eine in Wien ansässige gebürtige Kanadierin, bringt ihre einzigartige künstlerische Technik ein, die durch die Bearbeitung von in der Natur gesammelten Blättern geprägt ist. Mit Farbe, Fäden und Perlen verwandelt sie die teils von Blattparasiten angegriffene Blätter in Kunstwerke, indem sie gebrochene Äste schient und gerissene Häute näht – ein absurder, symbolischer Versuch, die „Natur zu heilen“. In diesem Kontext wird die Künstlerin die Klosterarbeitstechniken nicht nur übernehmen, sondern sie in ihren künstlerischen Prozess integrieren und neu interpretieren.

Im textilen Arbeits- und Diskursprozess von RELIQUIE 02 entsteht ein neues künstlerisches Werk, das die fragilen Blattscapes von ANDORRER mit traditionellenTechniken wie floralen Arbeiten mit Draht, Perlen, Papier und Goldstickerei verbindet. Zugleich wird die historische Rolle von Frauen als Bewahrerinnen kollektiver Erinnerungen verhandelt: Schon seit Jahrhunderten wurden beim Sticken und Nähen am Küchentisch Geschichten ausgetauscht und weitergegeben. Der künstlerische Schaffensprozess selbst wird integraler Bestandteil des Kunstwerks – als sozialer, diskursiver und transformativer Raum. Zugleich wirft das Projekt einen kritischen Blick auf die oft unsichtbare Rolle von Frauen in der Kunstgeschichte und deren Ausschluss aus der etablierten Kunstwelt.

Klosterarbeiten, deren Ursprünge bis ins 15. Jahrhundert zurückreichen, sind kunstvolle Handarbeiten, die in klösterlichen Kontexten mit außergewöhnlicher Meisterschaft gefertigt wurden. Ab dem 18. Jahrhundert fanden sie Verbreitung in bürgerlichen und bäuerlichen Haushalten, bevor sie im 20. Jahrhundert nahezu in Vergessenheit gerieten. Heute ist die Bezeichnung, laut Sander KUNZ ein „Sammelbegriff für verschiedene Verarbeitungen unterschiedlicher Materialien, wie Draht, Perlen, Glassteine, Papier, Wachs, etc. in kunsthandwerklichen Tätigkeiten“. Die „Werkgruppe Klosterarbeiten“ trägt heute maßgeblich dazu bei, diese historische Kulturtechnik zeitgemäß zu bewahren, wiederzubeleben und wurde 2019 als Beispiel Guter Praxis zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes der UNESCO-Kommission mit dem Good-Practice Siegel ausgezeichnet.

Der Entstehungsprozess der gemeinsamen Arbeit während des Workshops wird von Sonja VIEHHAUSER aus dem Großarltal filmisch und fotografisch dokumentiert und von Juli bis September in der Bergschule Großarl öffentlich ausgestellt. Eine Brücke wird geschlagen zwischen zeitgenössischer Kunst und dem jahrhundertealten, mündlich überlieferten Handwerk, um dieses kulturelle Erbe in die Zukunft zu führen.

Die Verehrung der Natur ist heute zeitgemäß und angebracht. Jedes einzelne Blatt ist für mich eine Art Kniefall vor der Schöpfung, gewissermaßen eine ‚Reliquie der Natur‘.“
– Angela ANDORRER

„Ausgehend von Bayern erleben die Klosterarbeiten seit 1989 in Österreich eine Renaissance. Handarbeiten und Kunsthandwerk begleiten mich schon seit meiner Kindheit, da in meiner Familie schon immer auf diese Fertigkeiten großen Wert gelegt wurden. 2001 entdeckte ich die Klosterarbeiten, die zu einer wahren Leidenschaft wurden.“
– Birgit AIGNER, Obfrau der Werkgruppe Klosterarbeiten

„Eine zeitlose und zugleich topaktuelle Kunst, sinnlich und voller Bezüge, wo die Natur nicht nur eine Metapher ist (für das Leben, das Werden und Vergehen), sondern in erster Linie sie selbst bleibt.“

– WIENER ZEITUNG (über Angela Andorrers Arbeiten)

„In hölzerne Kästen wie schwebend vor weißem Hintergrundmontiert, entfalten diese Kunstwerke ein wunderbares Eigenleben. Der Respekt vor der Schönheit und dem Urzustand des Naturobjektes hat Vorrang vor der künstlerischen Verfremdung.“
– Achim GNANN, Kurator Albertina Wien (über Angela Andorrers Arbeiten)


„Ist der Reliquienkult im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß? Hat sich das Leben seit dem Mittelalter nicht so verändert, dass es neue Reliquien braucht? Wird in Zeiten des Klimawandels die bedrohte Natur selbst zur modernen Reliquie? Diese Ideen entstanden während der Arbeit an den Blattscapes. In der Au und auf ihren Wanderungen sammelt die Künstlerin unterschiedliche Blätter, die das Ausgangsmaterial für ihre Arbeit bilden. Sie trocknet, presst und bearbeitet sie mit Acryl, Garn und Perlen. Sie veredelt die Abfall- und Zerfallsprodukte der Natur zu Kunstwerken. Diese Techniken entsprechen bis zu einem gewissen Grad den Klosterarbeiten, mit denen in der Barockzeit Reliquien eine kostbare Fassung verliehen wurde.“
– Wolfgang HUBER, Kurator und Kustos der stiftlichen Sammlungen Klosterneuburg

Weiterführende Links
https://www.andorrer.at
https://www.klosterarbeiten.at/werkgruppe
https://www.kunstroas.at
https://blog.nationalmuseum.ch/2022/08/klosterarbeiten

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Hermes the Abject

Urban Pilgrims Vienna
Angela Andorrer

Published in Passepartout (Kunstgeschichtliche Schriften, Dänemark), 16. Jahrgang, Nr. 30, 2010

Arglos zeigte ich mich hier, denn ich wurde nicht satt mich ob des Existierens zu wundern. Das empfand der kommunikationsblockierte Landstrich als Kriegserklärung. Und vernichtete mich. Das war ein Leichtes, ich bin leicht zu vernichten. Ich bin ein be- und abgeschriebenes Blatt. – Hermes Phettberg (1)

Abbildung: Urban Pilgrims Wien, blumberg © Andorrer 2007

2007 verbrachte ich ein paar Monate in der Hauptstadt Österreichs, um dort das künstlerische Projekt Urban Pilgrims Wien zu realisieren. Urban Pilgrims sind poetische urbane Extrakte, die mittels verschiedener Methoden zu einer Annäherung an das führen, was einen Ort und die dort lebenden Menschen tatsächlich ausmacht. (2) In diesem Zusammenhang begegnete ich der lebenden Kunstfigur Hermes Phettberg, fleischgewordene Psychopathologie eines Österreichers, bei dem Genie, Humor und Scheitern so nahe beieinander liegen, dass man nicht weiß, ob man lachen, weinen oder einfach nur fasziniert sein soll. Im Folgenden möchte ich meine persönliche Begegnung und Kooperation mit Hermes Phettberg wiedergeben und in Bezug setzen zu dem spezifischen Klima und Gemüt der Stadt Wien, auf deren Bühne meiner Ansicht nach ein Phänomen wie Phettberg überhaupt erst entstehen und gefeiert werden konnte.

Es begann damit, dass Florian, der Kopf des blumberg project space, in dem ich ausstellte, mir gegenüber erwähnte, ich solle für mein Projekt auf jeden Fall Hermes Phettberg kennenlernen. Meine Kenntnisse von Hermes Phettberg beliefen sich zu jenem Zeitpunkt auf bruchstückhafte Bilder eines legendären und fetten Prominenten. Also recherchierte ich. Hermes Phettberg, geboren 1952 unter dem bürgerlichen Namen Josef Fenz, wuchs als Sohn niederösterreichischer Weinbauern im Weinviertel auf und wurde nach einer theologischen Fortbildung Pastoralassistent in der Erzdiözese Wien. Mitte der 1980er Jahre war er Mitbegründer des Vereins Libertine Sadomasochismusinitiative Wien und des Projektes Polymorph Perverse Klinik Wien. Die kirchliche Laufbahn musste er aufgrund seiner offen gezeigten homosexuellen Neigung aufgeben. Anfang der 90er Jahre begann er als exzentrischer Kolumnist, Moderator und Prediger seiner Überzeugungen in Wien zu wirken. Kultstatus erreichte er 1994 bis 1996 als Talkmaster mit seiner ORF-Talkshow Phettbergs Nette Leit Show (3), in der vor allem Wiener Prominente, Wissenschaftler und Angehörige ‚interessanter Berufsgruppen‘ zu Gast waren. Durch unkonventionelle Fragen und die schonungslose Offenlegung seiner Gedanken über die österreichische Anpassungs- und Konsumgesellschaft, die Kirche, seine Dickleibigkeit, seine Minderwertigkeitsgefühle, seelischen Leiden und insbesondere seine Sexualität wurde er rasch exzentrischer Publikumsliebling. Legendär ist die Folge mit dem mittlerweile verstorbenen ‚Opernführer‘ Marcel Prawi, die in eine Diskussion über das Ordnungsprinzip Plastiksackerl ausartete. Nach dem Absetzen der Sendung wurde Phettberg zum mehr oder minder verarmten und verbitterten Sozialhilfeempfänger, lässt sich von Zeit zu Zeit öffentlich auspeitschen und inszeniert medial sein Versagen. Er schreibt für die Wiener Stadtzeitung Falter die wöchentliche Kolumne Phettbergs Predigtdienst, die in Form einer Predigt auf den liturgischen Texten des jeweiligen Sonntags im katholischen Kirchenjahr aufbaut. „Hermes Phettberg ist das längste und aufwühlendste Drama, das ich immer noch Woche für Woche mitverfolge, vermutlich bis zu seinem Tod (und seiner Auferstehung?)“ (4).

Phettberg schlug per email vor, wir sollten in seine Wohnung in die Gumpendorferstraße kommen, ums Eck vom Naschmarkt und vom Theater an der Wien, in dem Mozarts Zauberflöte uraufgeführt worden war. Im Treppenhaus erzählte mir Florian, dass erst mit Hilfe einer Radiosendung – ‚Hermes Phettberg räumt seine Wohnung zamm‘ (5) – die komplett verwahrlosten Zimmer wieder zugänglich gemacht werden konnten. Freiwillige Helfer wateten damals knietief durch Müll und schafften unzählige Kisten Unrat und Zeitungen heraus: seine Wohnung also ein legendäres Phettberg-Universum, in dem der ‚Koloß von Gumpendorf‘ (6) seit mehr als zwanzig Jahren haust wie ein Höhlenbewohner. Er begrüßte uns in der Tür mit weicher, charmanter Stimme. Lange, fettige Haare über tiefliegenden Augen mit durchbohrendem Blick. Relativ klein, fast gnomenhaft und dünn geworden infolge von zwei Schlaganfällen in den letzten Jahren. Er stank stark nach Urin und ungewaschenen Kleidern. Die Wohnung schien relativ aufgeräumt, armselige beige-graue Möbel, abgesehen von einer gigantischen knallgelben Liege mit darüber befindlichen Hängevorrichtungen. In ein paar kleinen Schälchen staubten Nüsse und nicht zu identifizierendes Essbares vor sich hin. An den Wänden Fotos: der nackte Phettberg angekettet, der halbnackte Phettberg in Erwartung von Schlägen, der angezogene Phettberg in einem Fiaker. Der Mutter hat er einen Herrgottswinkel eingerichtet.

Wir plauderten ein wenig und erzählten ihm dann von Urban Pilgrims. Nun bin ich gemeinhin in der Kommunikation weder nennenswert uneloquent noch besonders leicht zu verunsichern, jedoch, binnen zwei Minuten fand ich mich von einem erbarmungslosen Röntgenblick zerlegt, der mir den Stuhl unter dem Hintern wegzog, bevor ich nach Luft schnappen konnte. Phettberg meinte, nun etwas weniger charmant, wir zwei würden nicht zusammenkommen und kritisierte meine fragmentarische Herangehensweise an Wien. Wiederholt meinte er, ich sei aus Bielefeld (die angeblich langweiligste Stadt Deutschlands), und als ich sagte, ich sei noch nie in Bielefeld gewesen und komme aus München, schimpfte er über München. Nachdem wir das Zimmer gewechselt hatten, wurde die Situation etwas entspannter. Hermes erzählte, wie er seine Esssucht, die Hölle seines Lebens, besiegt hatte, schwärmte von dem wunderbar warmen Gefühl, das sich einstellt, wenn jemand auf Dir uriniert, und von einem der schönsten Erfahrungen seines Lebens, die darin bestand, dass ein Mann ein Ei an seinen Eiern aufschlug. Ich hatte den Eindruck, er wollte mich schockieren und aus der Reserve locken, hatte jedoch mittlerweile meine Fassung wieder gewonnen, und als es um Fachübergreifungen von Kunst ging, waren wir sogar einer Meinung. Er war brillant, arrogant, offensiv und zugleich immens zerbrechlich. Seine Worte gemeißelte Drucksprache. Er sei der ärmste Mensch Österreichs. Kein Mensch habe ihn je geliebt. Er würde Florian zuliebe mit einer Sadomaso-Performance bei Urban Pilgrims mitwirken und am liebsten Florians Füße küssen. An dieser Stelle sollte bemerkt werden, dass Florian ein ausgesprochen schöner Mann ist. Dann führte er uns zum Ausgang, verrichtete seine Notdurft bei offener Klotüre und verabschiedete uns mit ungewaschener Hand, jedoch extrem charmant.

Ich war aufgewühlt. Meine Gedanken kehrten am Abend immer wieder zu Phettberg zurück, ich fragte mich, worauf er hinauswollte mit seinem Selbstmitleid und seiner Arroganz. Als ich am nächsten Morgen mit Florian über Hermes diskutierte, war ich erstaunt über das Verständnis, den Respekt, ja die Verehrung, die er Hermes entgegenbrachte. Ich war wütend, da ich es nicht verstand, ahnte ich doch, mehr von Wien erlebt zu haben als all die Zeit zuvor. Offenbar war etwas ausgelöst worden. Also begann ich – ganz Urban Pilgrims style – mit verschiedensten Menschen zu sprechen: über Hermes’ Genie, Intellekt, aber auch sein Leiden, seine Körperlichkeit, seinen Masochismus und über Österreich, Wien und den Katholizismus, mit dem die Kunstfigur Phettberg so stark verknüpft ist.

Die dramatische Ausgestaltung der Figur Hermes Phettberg inkorporiert alle Merkmale des Milieus im niederösterreichischen Weinviertel, einer Jahrhunderte lang von Kriegen heimgesuchten Gegend, die schließlich zum toten Eck vorm Eisernen Vorhang wurde. Hier war, und ist sicher heute noch, der Einfluss der machtvollen, autoritären katholischen Kirche Niederösterreichs am größten. „Er [Phettberg] trägt den Schmerz einer ganzen Gesellschaftsschicht.“ (7) Und Phettberg: „Ich bin ja der Meinung, dass der Name der Region Weinviertel nicht vom Getränk sondern von der Tätigkeit stammt.“ (8) Sein Schicksal ist typisch für die zerrissene Seele des streng katholisch erzogenen Zugereisten. Vordergründig beherrscht er die römisch-katholische Liturgie in einer Perfektion, die man nicht bei vielen Priestern findet. Möglicherweise steigert er sich in eine Jesus-Nachfolge hinein, aber man sollte nie vergessen: Er ist Schauspieler. Und wie viel von dem, was er zeigt, ist tatsächlich wahr? Oder spielt er die Rolle seines Lebens, die Rolle des Josef Fenz?

Hermes Phettberg nennt sich ein fresssüchtiges, seine Homosexualität und masochistischen Neigungen bekennendes Original der Wiener Szene. Er könnte sicherlich überall existieren. Aber in anderen Ländern hätte man vermutlich nie etwas von ihm gehört, oder er wäre vielleicht bereits nicht mehr am Leben. Bezeichnend für die WienerInnen nun ist es, über die eigene Befindlichkeit zu jammern und lamentieren, aber nichts daran zu ändern – im Dialekt auch als ‚Raunzen‘ bezeichnet. Dazu kommen dann die zelebrierte Depression und die ewige Frage nach dem Sinn und dem Tod. Mitunter kann es ja befruchten, sein Leid mitzuteilen, man erfährt Mitleid. Spricht man aber in Wien sogar auf der Bühne über sein Leiden, so wird man geliebt. Macht man das so pointiert, prägnant und vielschichtig wie Hermes Phettberg, dann ist man ein großer Wiener. Da ist die Faszination des öffentlich zelebrierten Scheiterns, also der kathartische Effekt. Ist es nicht wie das vor Augen geführte potentielle eigene Leiden und letztendliche Gefühl der Machtlosigkeit, die solch’ Lust und Schaudern bereiten? Das Kollektiv der medialen Aufmerksamkeit wirkt als Ventil der eigenen Ängste. Und kann man irgendwo in der Welt so grandios scheitern wie in Wien?

Dabei sagt Phettberg: „Ich bin zufällig vor den Scheinwerfer geraten, und dann hat man gesagt, aha, eine spannende Persönlichkeit.“ (9) Er inszeniert sich als der gefallene Retter der Stadt und als ihr Korrektiv. Wien, „dieses irrsinnig kranke soziale Gebilde. Alle begannen mich anzufeinden: die Hippen, die Linken, die Bürgerlichen, die Kirche, die Nazis. Dabei galoppiert bei mir nur eine gewisse Unbedarftheit“ (10). Wo Wien durchtrieben scheint, reagiert er naiv, wo Wien dumpf scheint, funkeln seine Gedanken tiefgründig wie die Bergseen Innerösterreichs. „Und wenn Phettberg aber eines Tages auffällt, dass er doch eigentlich in die Welt gezogen ist, um Mitleid zu ernten, dann kann ihm auch in Wien niemand helfen.“ (11)

Wichtig erscheint in dem Zusammenhang das Beichtprinzip und dessen Missbrauch durch autoritäre Pfarrer. Ebenfalls wichtig der Marianismus (Mutterkult). Phettberg hat ein offensichtliches Desinteresse an Frauen, wenn sie nicht als Mütter oder Partnerinnen von für ihn interessanten oder begehrenswerten Männern auftreten. Im Knabenalter verging sich ein Rauchfangkehrer immer wieder an ihm. Er musste ihm zu Diensten sein. Es sei ihm nicht zuwider gewesen, sagt Phettberg. Später ließ er sich mit Vorliebe anketten und auspeitschen. Und hoffte dabei auf versaute, sadistisch veranlagte Jeansboys, ein Thema, das er bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausbreitet. Er gibt einen tiefen Blick in sein Innenleben, das den geradezu unglaublichen Niedergang eines enorm talentierten Menschen nachvollziehbar macht.

Die Lust am Sich-zur-Verfügung-Stellen ist eine Neigung, die jeder von uns (mehr oder weniger) als regelnden Antagonisten zu Dominanztendenzen in sich trägt. Das masochistische Dilemma der WienerInnen hat neben der Kirche nach wie vor viel mit dem Kaiser und dem Jahrhunderte lang absolutistisch geprägten Weltbild zu tun. Sieht man repräsentative Auftritte des heutigen niederösterreichischen Landeshauptmanns, des Ministerpräsidenten von Niederösterreich, so erinnert das tatsächlich stark an den Repräsentationsgestus eines Kirchenfürsten. Kann man die öffentlichen Geißelungs-Inszenierungen Phettbergs verstehen als Mittel zum Zweck der Selbsterhöhung? Zelebriert er in wiederkehrender Ritualhaftigkeit die im kulturellen Gedächtnis des Landstrichs tief verankerten Mechanismen christlich-absolutistischer Demut und Devotheit? Vereinfacht formuliert: Seht her, wie schlecht es mir geht, bitte liebt mich! Mama, Papa (Österreich, Gott, Kaiser, Welt etc.), ihr liebt mich ja nicht. Schaut her, wie schlecht es mir jetzt geht. Bestraft mich. Tretet mich, damit ich wenigstens etwas fühle. Ich weiß, das ist schlecht/böse. Aber ist es nicht christlich – haben wir das nicht gelernt – zu leiden? Ich leide mit für euch. Ich übe mich in Demut. Das ist mein Geschenk an euch. Ich trage Eure Last.

Phettbergs Sadomaso-Inszenierungen als konsequente Inszenierungen katholischer Geißelungsbilder oder Verständnisfehler? In sadomasochistischen Ritualen geht es unter anderem darum, persönliche und körperliche Grenzen auszuloten, für die noch keine Form in der eigenen Realität gefunden wurde. Phettberg realisiert seine masochistische Homosexualität mit einer grausamen Konsequenz, indem er durch völligen Verzicht auf Hygiene und durch eine Pflege der körperlichen Hässlichkeit jeden Kontakt zu der von ihm geliebten SM-Szene unmöglich macht, so dass er im Prinzip darunter leidet, nicht leiden zu dürfen. Seinen Hang zum strengen Odeur erklärt er damit, dass er sich gerne schnuppere. Wenn dieser brünstige Duft von den Schenkeln aufsteige, erfülle ihn das mit Lust. (12) Geruch, Nahrung, Exkremente, Außen und Innen, Körpergrenzen, Privatheit und Öffentlichkeit verschwimmen, und der Körper wird im Sinne Bachtins zum grotesken, der Welt gegenüber unabgeschlossenen Leib. Sein Drama trägt er über Essen und die Medien – den Volksleib – aus. Sieht man alte Filmaufnahmen von ihm, ertappt man sich bei dem Gedanken an das Beuyssche Fett (13) und wundert sich, was für ungewöhnlich kluge Worte mitunter aus dieser Fettmasse kommen. Phettberg befindet sich in einem destruktiven Kreislauf der Sucht: Fressen und Hungern. Er schwankt zwischen 80 und 150 Kilo. Man kann hier im freudianischen Sinne von Oralfixierung sprechen:die Welt probieren, indem man sie in den Mund nimmt und verschlingt. Mir gegenüber sagte er: „Die Esssucht war meine Hölle“. Vor seinem starken Gewichtsverlust hatte er einen Zuckerschock, später akutes Nierenversagen. Phettberg versucht verzweifelt über die Welt zu triumphieren, indem er sie verschlingt, und wird doch selbst von ihr und den Medien verschlungen. „Einerseits ist er der verschlingende, siegreiche, lebende, werdende, zeugende Körper. Andererseits der zerstückelte, verschlungene und damit sterbende Körper, kurz: der groteske Körper als Doppelleib konzipiert.“ (14)

Und wenn er über Fäkal- und Urinalpraktiken und -phantasien obsessiert, liegt wieder die Assoziation mit Sigmund Freud (also auch etwas typisch Wienerisches) nahe, der die anale und genitale Phase erstmals bezeichnete und einer öffentlichkeitsfähig gemacht hat. Denn auch das ist Phettberg: kindlich unbefangen, lustvoll, oral und anal fixiert und in der ödipalen Sprache befangen.„ Durch die Ausscheidung von Kot nimmt der Mensch ebenfalls von der Welt Besitz, indem er sie verarbeitet und sie als etwas Eigenes an die Natur wieder zurückgibt. In Form des Kots hat der Mensch die bedrohende Materie in den Griff bekommen, der Kot als Produkt eines zum Verschlingen komplementären Vorganges ist gewissermaßen ihr Symbol. Das als Dünger fruchtbare Exkrement tritt aus dem Körper aus, ein der Zeugung vergleichbarer Vorgang.“ (15)

So vereinen sich in Phettbergs monströsem Körper zugleich Dramen von Grenzsetzung und Grenzauflösung und das Dilemma zwischen der Sehnsucht, den Körper zu zerstören, und katholischem Suizidverbot vegetieren zu müssen. Phettberg ist ein todessehnsüchtiger Mensch, der an sich selbst und an seinen Widersprüchen gescheitert ist. Einer, der die uns allen innewohnende ‚Not an Wärme‘ nach außen artikuliert. „Das Telefon stört mich. Und ich verliebe mich in den Anrufer. Dann aber legt der Anrufer auf und ich muss meine Trümmer neu zusammenklauben“. (16) Aber wenn seine Einsamkeit eine öffentliche ist, ist sie ja eine als solche gesetzte, ist sie eine Kommunikationsfigur, die wiederum mit dem Künstler-Ego als Figur des Künstlers operiert und damit in einer ganz bestimmten historischen Konstruktion steht.

Faszinierend bleibt jedoch trotz allem die hundertprozentige Hingabe an das durch sein Zulassen und Nichteingreifen herbeigeführte Ausgeliefertsein an sein Schicksal. Vielleicht ist die Kompromisslosigkeit, mit der Josef Fenz die Rolle des Phettberg verkörpert, sein eigentliches Drama. Man fragt sich, ob seine Haltung nicht möglicherweise eine kindliche ist, was dann wieder an das Biblische – werdet wie die Kinder – erinnert. Er fordert die totale Aufmerksamkeit und Liebe, ohne selbst etwas geben zu wollen. Kann er denn selbst lieben, wenn er sich hasst und in einem von ihm selbst herbeigeführten Zirkel der Lieblosigkeit, Einsamkeit und des Benutztwerdens ohne Liebe kreist? Hat er nicht möglicherweise insgeheim den Drang, andere mit sich zu verschonen? Vielleicht ahnt er unbewusst, dass er gar nicht fähig ist zum Lieben, und vielleicht hat seine Offensivität nur den Zweck, sich die Bestätigung der Ablehnung zu holen: „Das Gefühl einen Menschen so sehr zu ersehnen und [zu] wissen es nie zu erreichen, dieser Schmerz brennt so schön wie solides Sodbrennen“. (17)

Neben dem Leid, das ihm die Säfte, Sekrete und die Sucht auferlegen, sitzt in ihm ein hochsensibler, blitzscharfer Geist, wundgescheuert an den Zeitgenossen, die sich an ihm spalten. „Ich bin schwul. Ich bin hässlich. Ich bin ein Genie.“ (9) – dieser Dreisatz Truman Capotes könnte auch von Phettberg stammen. Oder handelt es sich hier um eine avantgardistisch zelebrierte Geniefigur in einer traditionell glorifizierten männlichen Kultur des Scheiterns? Er instrumentalisiert sein Umfeld. Wer ihm nicht Aufmerksamkeit gibt oder zur Befriedigung dient, den serviert er eiskalt ab. Die dann entstehende Arroganz ist bei ihm auch eine Art Angstbeißen. Er lässt in der Gesellschaft buchstäblich die Hosen runter. Aber wer dann nicht sofort begeistert klatscht und ihm huldigt, vor dem fletscht er die Zähne. Eben weil er eigentlich von jeher ohne Hosen dasteht. Das erinnert wieder an das frühkindliche Ringen um Aufmerksamkeit in einem Stadium, in dem das Kind sich Zuwendung noch nicht verdienen, sondern nur einfordern kann. Applaudiert man Phettberg nicht im Zustand seiner Selbstentblößung, hat er das Gefühl, nicht um seiner selbst geliebt zu werden. Das Publikum jubelt der Kunstfigur Hermes Phettberg zu – aber Josef Fenz kennt eigentlich niemand. Der ist auch nicht weiter interessant. Wann kehrt Josef Fenz zurück aus der Rolle seines Lebens? „Die eigentliche Tragödie ist, dass ich keine Freundschaften entwickelt habe“, sagt er resigniert. Denn „eine Freundschaft nimmt sich als Freundschaft wahr, wenn beide das Einrasten der Freundschaft verspüren. Dieses Geräusch habe ich nie gehört, diesen satten Klang“ (18).

Die Urban Pilgrimage hatte unsan jenem heißen Sonntag im Juni 2007quer durch Wien geführt, über Bordell, Swinger Club bis zum angeblichen Tor zur Unterwelt unterhalb der Urania, wo der Wienfluss in den Donaukanal mündet. Ich erzählte hier von der damit zusammenhängenden Legende, dass die Erde mit einem Netz von Punkten, Linien und Strömungen überzogen sei, vergleichbar dem menschlichen Organismus in der Akupunktur. Wien aber sei – international in esoterischen Kreisen anerkannt – eine Art Katalysator zwischen Ost, West, Nord und Süd. Hier konzentrieren sich angeblich globale Strömungen und ‚Interessen geistiger Kräfte‘, denen wir ebenfalls angehören (als mir Oliver Stummer im Sommer 2007 davon erzählte, dachte ich unwillkürlich an den einflussreichsten Mann des 20. Jahrhunderts, diesen berühmt-berüchtigten österreichischen Amateurmaler, der in Wien in einem Hinterhaus in der Stumpergasse gewohnt hatte, 10 Gehminuten von Phettbergs Wohnung entfernt. In diesem Hinterhaus hatte ich sogar einmal übernachtet, bei einer Freundin…). Von Süden kommend, dem Wienfluss folgend, laufen also angeblich zwei Welt-Haupt-Energieströme in parallelen Mustern, was offenbar sehr selten passiert: eine geistig/luftige Strömung und ein körperlich/erdiger Hauptstrom. Und diese zwei Linien tauchen dann an der Urania gemeinsam ab und erst wieder in Bosnien auf. Ob man nun daran glaubt oder nicht, WienerInnen lieben diese Geschichten, und in der Tat hat die Gegend um die Urania eine intensive Ausstrahlung. Ich forderte die Pilger zur besonderen Wachsamkeit auf, insbesondere bei blitzartigen Phänomen, denn angeblich waren genau an dieser Stelle schon Menschen verschwunden. Es waren Fischer dort, die vielleicht gar keine Fischer waren, sondern Agenten und Wächter des Tores zur Unterwelt. Wir hörten ‚Indoktrination‘und ‚Ouverture‘ von Blixa Bargeld und begaben uns mit diesen Eindrücken zum Projectspace blumberg zurück.

Und da hing er. Florian hatte eigens einen eigenen Haken und eine Kette für ihn geschmiedet. Phettberg hatte stark abgenommen, sein Fleisch hing wie Lappen herunter und er erweckte von außen fast den Eindruck einer zweidimensionalen Pappfigur. Wir waren berührt, teils schockiert. Das war das Bild des Leidens, des Gekreuzigten, ja, des Elends.

Wir setzten uns erst in Entfernung, dann näher. Man redete wenig, die Stimmung war besonders. Irgendwann bat Phettberg darum losgekettet zu werden. War ganz zahm, demütig, sanft. Er lag da, wollte getreten werden und Thomas, einer der Urban Pilgrims, ließ sich auf ihn ein: „Später was ausprobiert, was ich vom Massieren als recht faszinierend empfand – mit meinen Händen etwa einen Zentimeter von der Hautoberfläche ohne Berührungen zu berühren. Irgendwie eine ganze und eine halberte Sache gleichzeitig. Hermes Phettberg leckte meine Stiefel (war ihm ein dringlicher Wunsch), auf dem Rückweg vom Pissoir bot ich ihm eine Handvoll warmen Urin zur Labung, er legte sich zu meinen Füßen – alles Details, zu denen mir Parallelen aus der katholischen Liturgie einfielen (vor allem aus der Karwoche), was ich am Rande anriss. Wir sprachen kaum miteinander. Es war mehr Begegnung. Vorspiel ohne Vollzug. Vielleicht aus seiner Sicht. In der Küche dann die Resignation, er stockschwul und ich hetero. Ich wollte das aber nicht als Spiel verstanden haben, sondern als Zuwendung, nah und distanziert zugleich.“ (18) Und irgendwann meinte jemand, Hermes Phettberg sei eigentlich das wahre Tor Wiens zur Unterwelt.

……..

(1) http://www.phettberg.at/, Startseite (2010)

(2) Urban Pilgrims sind prozessionsartige Ausflüge, maßgeschneidert für eine Stadt, mit kollektiven Gesten, Utensilien, Snacks, Sound, Musik und Begegnungen. Im Vorfeld und parallel dazu entstehen eine Online-Umfrage über Legenden und persönliche Erlebnisse der Stadt und kontinuierlich wachsende Bild- und Text-Archive; www.urbanpilgrims.org.

(3) Translated from Viennese dialect: Phettbergs Nice People Show.

(4) Franky Ablinger (monochrom) in einer email vom 14.03.2008.

(5) Fritz Ostermayer, Hermes Phettberg: ‚Hermes Phettberg räumt seine Wohnung zamm‘. Die legendären Musicboxinterviews von 1991 und 1994, Edition selene 1996.

(6) Wiener Volksmund.

(7) Marion Holy in einer email vom 14.03.2008.

(8) Hermes Phettberg, in: ‚Nette Leit Show‘, ORF Talkshow, Regie Kurt Palm, Sept. 1995.

(9) Markus Völker, ‚Puh‘, taz, 11.01.2003.

(10) Ebd.

(11) Marion Holy in einer email vom 14.03.2008.

(12) Markus Völker, ‚Puh‘, taz, 11.01.2003.

(13) ‚Phettberg‘ = wörtlich ins Englische übersetzt: Fatmountain, mit altertümelnderSchreibweise ‚ph‘ statt ‚f‘.

(14) Peter von Möllendorff, Grundlagen einer Ästhetik der alten Komödie: Untersuchungen zu Aristophanes, Gunter Narr Verlag 1995, S. 79.

(15) Ebd., S. 78.

(16) Markus Völker, ‚Puh‘, taz, 11.01.2003.

(18) Hermes Phettberg, in: ‚Nette Leit Show‘, ORF Talkshow, Regie Kurt Palm, Nov. 1994.

(19) Markus Völker, ‚Puh‘, taz, 11.01.2003.

(18) Thomas Heinisch in einer email vom 17.03.2008.

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Ziegenmonologe // Goat Talks

Angela Andorrer
2023
Pigmentdruck auf Bütten

„Eine tote Ziege am Felsstrand. Sie liegt auf zerklüfteten schwarzen Steinen als wären sie ein weiches Bett. Nicht so, dass man sich abwenden möchte. Etwas hält einen, als würde sie sich mitteilen wollen. Die Worte kommen nicht aus ihr, sondern aus der Umgebung, die durch sie zu einer anderen wird. Die Worte der Ziege sind in die Wassertropfen der aufschlagenden Wellen eingeschlossen. Sie, ikonografisch auf Steinen, Schmuckstücken, abgebildet mit nackten Göttinnen, in der Höhlenmalerei, hinter Gattern, auf Gemmen, in Medaillons, tot am Felsstrand.“
– Verena Stauffer in: Kiki Beach. Liebesgedichte

Die Fotografie „Ziegenmonologe / Goat Talks“ entstand 2023 auf der Insel Susak und war der Auslöser eines anhaltenden Gedankenaustauschs zwischen der Schriftstellerin Verena Stauffer und der Künstlerin Angela Andorrer. In Folge wurde das Bild in Verena Stauffers Lyrikband „Kiki Beach“ abgedruckt.

„Die tote Ziege weiß mehr. Sie habe sich in den schroffen Felsen das Bein gebrochen. Sie liegt wie drapiert in den felsigen Klüften, der Zivilisation ferner als jeder Mensch. Eine Fotografin drückt ab, auf dem Bild: Die Ziege und ich. Du musst eine Form haben, sonst greifst du durch und da ist nichts. Man fällt durchs Gedicht und schlägt sich die Nase blutig. Die Ziege und ich liegen, die Köpfe einander zugewandt, dahinter ein kleines Meeresbecken und dann die runde Küste, der Saum, dort wo das Meer beginnt, er ist gebogen wie der Winkel unserer Körper. Die Fotografin sagt: „Siehst du das Formale.“ Die Ziege und ich treten durch das Formale in den Hintergrund. Es geht nicht mehr um unsere Körper. Wir sind im Bild Teil der Natur geworden. Teil von Leben, Sterben und Unendlichkeit.“
– Verena Stauffer in: Kiki Beach. Liebesgedichte

GOAT TALKS
Archivdruck auf Hahnemühle Bütten
315 g
21 x 29,7 cm
Auflage 20; streng limitierte Sammleredition
Einzeln handsigniert, nummeriert und gestempelt
Der Druck liegt in einer maßgeschneiderten, handgefertigten Mappe mit Leinen-Bandarole, eingeschlagen in Transparentpapier.
Erscheinungsdatum 14.02.2025
€ 230,-

Das Motiv Frauenfigur und Ziege öffnet ein weites Feld. Ab der Eisenzeit wird die ‚Göttin und Capride‘ zum Zeichen und Bildtypos für Fruchtbarkeit und Leben. Besonders der liegende Capride mit zurückgedrehtem Kopf findet sich auf altsyrischen Siegeln häufig in Verbindung mit einer nackten Göttin. In der griechischen Mythologie ist Amaltheia eine Nymphe, die den Gott Zeus mit der Milch einer Ziege aufzieht, und in manchen Quellen wird sie selbst zur Ziege. Im Alten Testament werden Verfehlungen mit Ziegenböcken als Sündenopfer gesühnt. So ziehen die Brüder Josefs dessen Kleid aus und tauchen es in das Blut eines geschlachteten Ziegenbocks.

Der Print „GOAT TALKS“ und der Lyrikband „Kiki Beach“ sind zusammen erhältlich.

€ 250,-

Bezahlen Sie mit PayPal, Bankkarte oder Überweisung. Wenn Sie eine andere Zahlungsmethode wünschen, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung. -> angela@andorrer.at

Kiki Beach. Liebesgedichte
von Verena Stauffer
Verlag Kookbooks Berlin

LyrikReihen-Nr.90
80 Seiten, Gebunden
ISBN/EAN978-3-948336-27-1

Im Handel erhältlich für € 24,00

Verena Stauffer erfindet das Liebesgedicht neu. Kiki Beach entführt in eine Welt von Annäherung und Begehren. Virtuelles Erleben, KI und Wirklichkeit verschwimmen, alles fließt ineinander und über in eine neue Offenheit.



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Eine Kooperation des Forum Anthropozän und der Klima Biennale Wien 2024

CANTUS KLIMA
15./16. Juni 2024

Angela Andorrer &
Red Rebels XR (Extinction Rebellion)

SAMSTAG | 15.06.2024, HEILIGENBLUT AM GROSSGLOCKNER
6:30 – 7:30 Stille Prozessionsperformance und Morgenmeditation mit Bischofsvikar Hans-Peter Premur am Gössnitz-Wasserfall (Parken Natura Mystica)
8:00 KLIMA BIENNALE Netzwerktreffen (Haus der Steinböcke, Hof 38, 9844 Heiligenblut)

SONNTAG | 16.6.2024 WIEN
16:00 – Biennale Zentrale im KunstHausWien (Untere Weißgerberlände 13, 1030 Wien)
Klima Kultur Pavillon im Hof: Public Rebel Transformation mit Beats & Sprechchor
17:00 Einführende Worte Paula Marschalek
17:30 Start Klimaprozession
[ Route: Entlang des Donaukanals bis zur Stranbdbar Hermann | Urania | Motto am Schiff | Rotenturmstraße | Stephansdom | Portal linke Seite ]
19:00 – Stephansplatz: Grußworte Dompfarrer Toni Faber
19:15 – Deklamation CANTUS KLIMA

Das Forum Anthropozän und die Klima Biennale Wien laden 2024 ein zur Zwei-Tages-Performance CANTUS KLIMA, ein Projekt der bildenden Künstlerin Angela Andorrer in Kooperation mit den Klimaaktivist*innen Red Rebels XR (Extinction Rebellion). Die Performance verbindet den ländlichen mit dem urbanen Raum und führt vom malerischen Ort Heiligenblut mit seiner berühmten Wallfahrtskirche St. Vinzenz vor der erhabenen Pyramide des Großglockners mitten ins spirituelle Zentrum der Landes, zum Stephansdom.

Der Auftakt ist am Samstag, dem 15. Juni 2024, bei welchem nach der Morgenmeditation von Bischofsvikar Hans-Peter Premur um 6:30 am Gößnitzwasserfall eine stille Prozessionsperformance vom Gößnitzwasserfall über die Heiligenbluter Kirche zum Haus der Steinböcke führt, wo das Netzwerktreffen vom Forum Anthropozän mit der Klima Biennale Wien stattfindet.

Am nächsten Tag, dem 16. Juni 2024 , wird die künstlerische Intervention in der Biennale Zentrale im KunstHausWien weitergeführt. Dort findet um 16:00 die „Rebel Transformation“ statt, bei der sich die Red Rebels zu Beats von Luc Kopf schminken und transformieren. Die Sprechchortrainerin Evgeniya Lianskaya-Lininger probt vor Ort mit den Teilnehmenden und den Besucher*innen Klimachants: „We change our way of live, to protect our children.“ Ab 17:30 bewegt sich die Kunstintervention ins Zentrum der Stadt. Um 19:00 begrüßt Dompfarrer Toni Faber die Klimaprozession am Stephansplatz und von 19:15 – 19:25 wird als Abschluss der CANTUS KLIMA deklamiert.

CANTUS KLIMA

Die Performance CANTUS KLIMA ist eine strenge Sprechperformance, bei der, begleitet von repetitiven Sprechchören und Publikumsbeteiligung, fragile Blattobjekte als Symbole des Überlebens auf der Erde in religiösen Monstranzen öffentlich zur Schau gestellt werden. Bittgebete, Versprechungen und Gesten der Demut, die in unserer Kultur fast vollständig verschwunden sind, thematisieren den Umgang der Menschheit mit der Erde.

BLATTMONSTRANZEN
Blätter stellen mithilfe von Wasser und Sonnenlicht Sauerstoff her, die Lebensgrundlage für Mensch und Tier. Vor ihrem natürlichen Zerfall bewahrt, werden sie von der Künstlerin Angela Andorrer als Überreste lebenserzeugender Prozesse in den Kontext des Magischen erhoben und als Kunstobjekte konsequent in Reliquienmonstranzen inszeniert, die traditionell mit heilenden Kräften von geweihten, menschlichen Überresten in Verbindung gebracht werden. Frei nach dem Motto „worship nature instead of old bones“. Beim CANTUS KLIMA 2024 wird die Blattmonstranz No 1 zur Schau gestellt, in einer Leihgabe des Stiftes Klosterneuburg.

Während Andorrers Performance ‚Cantus Klima‘ bleibt meine Aufmerksamkeit an einem Satz hängen: ‚We must make friends with nature, ’cause nature makes the climate on which we depend‘. Freundschaft mit der Natur schließen, sie gleichsam religiös mit Prozessionen und Litaneien um Vergebung bitten, Klimaschutz nicht nur denken sondern aktiv werden.
Maria Christine HOLTER / Artists for Future Austria

TEAM CANTUS KLIMA
Angela Andorrer – Idee und Projektleitung
Barbara Ulrich – Koordination Red Red Rebels / XR Extinction Rebellion
Luc Kopf – Sound und Beats
Evgeniya Lianskaya-Lininger – Sprechchor
Petra Forman / Artists for Future Graz – Koordination Wien
Paula Marschalek – Presse und Social Media

ANGELA ANDORRER (CAN/AUT)

andorrer.at | facebook: andorrer | insta: angela_andorrer
Angela Andorrer wurde in Kanada geboren, als Tochter eines Antarktis- und Marsforschers, studierte u.a. bei Kiki Smith und lebt als bildende Künstlerin in Wien und Klosterneuburg. Ihre Arbeiten wurden international auf Biennalen, in Museen und Galerien ausgestellt. Sie wird von der Galerie Artecont vertreten.

RED REBELS ( Extinction Rebellion AT) 
 redrebelbrigade.com xrebellion.at
Die Red Rebels sind eine Performance Gruppe, die hervor ging aus Extinction Rebellion (XR), einer KlimaaktivistInnen Gruppe, die ‚gegen das Aussterben‘ und für das Leben rebellieren‘. Mit friedlichen Märschen und Standbildern und mit eindrucksvollen, nonverbalen Gesten verstärken die Red Rebels die Botschaften verschiedenster Umweltorganisationen, Klimabewegungen, NGOs und KünstlerInnen.

FORUM ANTHROPOZÄN
www.forum-anthropozaen.com
Das Forum Anthropozän ist eine Plattform, die sich transdisziplinär dem Thema Anthropozän (Menschenzeit) in der Wechselwirkung von Globalität, Urbanität und dem Ländlichen Raum widmet.

DANKE FÜR DEN SUPPORT
Sabine Seidler – Forum Anthropozän Heiligenblut
Sithara Pathirana – Programmleitung Klimabiennale 2024

Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist kostenlos.

-> Pressefotos

www.andorrer.at/cantus_klimabiennale

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