von Alfred Stohl
Landkarten speichern topographische Informationen. Wer sie versteht, wer sie lesen kann, erfährt eine Menge über die symbolisch dargestellte Landschaft. Landkarten, Atlanten, Globen, ja selbst moderne Satellitenfotos haben aber immer auch andere Informationen in ihren Inhalten gespeichert, die über die bloß technisch-nützlichen Anweisungen hinausgehen.
Landkarten sind immer noch Kunstwerke, die auch ästhetisch ihre Wirkung entfalten können. In ihnen sind auch die Inhalten von Träumen gespeichert. Manchmal zeugen sie vom Entdeckergeist der Alten, von mühevollen Bestrebungen die weißen Flecken der Erde ebenso der Hand eines Künstlers zu überantworten, der sodann Farbe und Linien, Schrift einsetzen wird um die Anwesenheit des analytischen Geistes zu dokumentieren.
Anregung für den Geist geht von den Karten aus. Information, die uns eintauchen lässt in fremde Welten. Durch das Betrachten werden wir verleitet zu Abenteuern und fantastischen Fahrten. In Nordspanien fand man in einer Höhle 14.000 Jahre alte Piktogramme auf unscheinbaren Steinen. Hirsche mit eindeutigen Landschaftszeichnungen darüber gelegt. Sümpfe, markante Hügelgruppen. Information – Hirsche bei diesen und jenen Hügeln. Der steinzeitliche Hirsch ist aber auch ein mythologisch aufgeladenes Tier. Erzählungen von Jagd und Zauber. Traumtiere, Totems. Über die Jahrtausende erreichen uns Geschichten – sie lassen uns denken und wir betrachten geistige Bilder.
Ebenso ist dies auch bei der geheimnisvollen Himmelsscheibe von Nebra: Festgehaltene Bewegung des Himmels. Mond, Sonne, Plejaden. Mit auf der Scheibe eine Ahnung, ein Anhauch eines längst vergessenen Kultes. Kult und Gefühlsleben hängen zusammen. Welt und Mensch. Das Ich und das äußere NichtICH. Von der Seele zum Himmel, dazwischen liegt Welt.
Die Tabula Peutingeriana, ein spätantikes Straßenverzeichnis mit den Namen von Poststationen, die es heute nicht mehr gibt. Zwar erkennt man bestimmte geographische Details, doch weder die Straßen durchziehen mehr den Raum, noch finden wir Hinweise auf die alten Namen. Karten überwinden die Zeit und führen in Räume, die nicht mehr bestehen.
Der nächtliche Flug des ISS über die Erde hinweg – ein Welt-Blick aus großer Höhe auf die tief unten dahinziehende Miniaturlandschaft. So ähnlich erging es mir bei der Betrachtung der frisch gemalten Landschaft in meiner Hand. Der Betrachter denkt sich in das künstliche Hand-Werk hinein – wahrnehmend mit seinen Augen, verblüfft auf seine Hand blickend: Kreisdenkbewegung.
Vergrößerungsglas, Beleuchtung, Aquarellfarben, kundig geschwungene Pinsel, Hand als Beschreibstoff – als das zu Bezeichnende. Haut, Rillen und Linien: Farbe und Lineament – vergehende Landschaft. Der Alltag des Menschen, dem Angela Andorrer eine Kleinwelt in die Hand gelegt hat, bringt ein dynamisch-kinematorgrafisches Element in das Bild. Staunend überblickt man eine Welt. Eine Reise ins eigene Ich beginnt, denn jeder findet sich sodann in diesen Landschaften. Vergänglichkeit durch Verwendung der Hand. Handschweiß fördert die Dynamik der Auflösung. Unsere Weltvorstellungen sind flüchtige Ideen, flinke Gedanken. Die Vorstellung der inneren Landschaftsbilder und das Bild auf der Hand fallen zusammen, verschmelzen, vergehen, führen ein neues Leben im Kopf. Die Fotos aber halten diese Momente fest: Handarbeit -Kopfwerk
Dieser Text ist erschienen in: ‚Vom Reisen in Fremden Händen // Miniatlas No2‘ Booklet mit Auszügen aus dem Reiselogbuch, Wien 2012 (A), anlässlich einer Ausstellung im Aktionsradium Wien.
Abb.: Alfred Stohl und seine Handscape.
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